Von Schatzsuchern und Archäologen

28.09.2021

Das Grab des Tutanchamun, der Schatz von Harald Blauzahn oder auch der Schatz der Sachsen - glaubt man den Schlagzeilen in der Presse, dann dreht sich archäologische Arbeit im Grunde genommen non stop um die Suche nach Schätzen und gigantischen Stapeln von Goldmünzen. Sensationsfunde bestehen in aller Regel zumindest aus mehreren Kilogramm Gold, egal ob in Form von Münzen oder Schmuckstücken, als Beschläge oder Barren. Idealerweise finden sich auch noch ein wenig Silber und ein paar glitzernde Edelsteine, aber das ist dann schon nicht mehr ganz so wichtig.

Egal ob TerraX oder BBC, immer wieder wird Archäologie als eine einzige große Schatzsuche in Szene gesetzt, als wären wir alle der Phase hängen geblieben, in der man mit einer Schatzkarte in der Hand Schritte zählt und sich fragt ob nun dieser oder jener große Baum gemeint sein könnte. Weshalb das so ist, soll uns hier zu einem späteren Zeitpunkt beschäftigen, heute soll es erstmal darum gehen, welche Wirkung dieses Bild in der täglichen Arbeit entfaltet. (Kleiner Spoiler: Wir Archäologen sind meiner Meinung nach selbst nicht unschuldig an diesem Bild.)

Berichterstattung über Archäologie haftet, wie gesagt, häufig der Hauch des Exotischen, des Abenteuerlichen an, Indiana Jones lässt grüßen. Ferne Länder, dunkle Tempel und große Goldschätze, ein beliebtes Narrativ, dass in Variationen auch in der Berichterstattung über reale Ausgrabungen und ihre Ergebnisse immer wieder benutzt wird. Nun könnte man sagen: "Was solls? Das liest sich halt spannender und immerhin schafft es Aufmerksamkeit für die Arbeit und zieht ja auch Leute in die Museen", und damit läge man ja durchaus auch nicht falsch. Irgendwie. Aber irgendwie halt doch.

Schaut man in die einschlägigen Foren so stellt man nämlich immer wieder fest: Die Leute lesen diese Berichte halt nicht als gute Geschichte, sondern als Arbeitsbericht. Sie messen die Arbeit der Archäologen an diesen Erwartungen, diesen Bildern. Tatsächlich fühlen viele der Leute, die mit Sonden auf Schatzsuche gehen, als die "besseren" Archäologen, weil sie mit ihrem Metalldetektor die "Schätze" finden, weil sie die Goldmünzen aus dem Boden holen und nicht die "faulen und unfähigen" Profis, die da stundenlang irgendwelche Erdschichten abtragen ohne eine einzige weitere Münze zu finden.

Das ist fatal. Aus dieser Fehlwahrnehmung unseres Arbeitsauftrages, unseres Anspruches folgt dann nämlich die Rechtfertigung selbst zur Tat zu schreiten, auch wenn das in Deutschland (und den meisten anderen Ländern der Welt) verboten ist. Weil wir als Profis unseren Job nicht gut machen würden, so die Argumentation, kann man die "wirklich engagierten Leute" ja nicht davon abhalten diesen Job zu machen. Man fühlt sich im Recht, missverstanden, nicht wirklich gewürdigt und zu Unrecht kriminalisiert. In der Folge wird nicht nur gesondelt was das Zeug hält, sondern viele Funde dann auch nicht gemeldet, weil man sich diese nicht wegnehmen lassen möchte. Man hat sie sich ja "verdient".

Das Traurige daran ist, dass es sich hier um ein grandioses Missverständnis handelt, also zumindest bei denen, die nicht einfach nur auf der Suche sind, um ihre Funde meistbietent zu versteigern damit der nächste Urlaub finanziert ist. Die meine ich nicht. Solche Leute sind schlicht kriminell und bestehlen die Gemeinschaft zu ihrem eigenen Vorteil. Ich meine all jene, die wirklich an Geschichte interessiert sind, die annehmen wir würden wirklich einfach nur unseren Job nicht machen.

Tatsächlich machen wir unseren Job mal besser, mal schlechter, wie alle anderen Menschen auch und wir machen sicher Fehler, geraten unter Zeitdruck, müssen Prioritäten setzen und dabei oft schmerzhafte Kompromisse eingehen, aber ob wir den Job gut machen oder nicht, dass lässt sich halt nicht in kg Gold pro qm angeben.

Archäologen suchen kein Gold. Archäologen suchen Spuren der Vergangenheit und da ist die Erdschicht um den Fund herum in aller Regel viel viel wichtiger als der Fund selbst. Ohne seinen Zusammenhang ist ein Fund für sich genommen hübsch anzusehen, aber leider wissenschaftlich so gut wie wertlos.

Ein prominentes Beispiel hierfür sind die sogenannten "Zauberhüte", einen kann man im germanischen Nationalmuseum in Nürnberg bewundern. Es handelt sich hierbei um ... ähm ... ja was eigentlich? Wir haben, ehrlich gesagt, keine Ahnung. Diese metallenen Gegenstände haben dieselbe Form, wie ein Zauberhut. Es handelt sich um lange Kegel mit einem breiten Rand, der dann aussieht wie eine Krempe. Im Inneren sind in diese Gegenstände Muster eingepunzt, also mit einem ganz feinen Werkzeug reingestichelt. Es handelt sich hierbei um Muster, die auch oft irgendwie mit mystischem Zeug in Verbindung gebracht werden, Sterne zum Beispiel.

Leider stammen diese wunderbaren Stücke aus irgendwelchen Raubgrabungen. Menschen - vermutlich ausgestattet mit einer Sonde - haben diese faszinierenden Artefakte aus dem Boden geholt und sie landeten über Umwege in Museen. Weder können wir sagen, woher sie stammen, noch ob sie vielleicht in der Nähe eines Altars lagen, aus einem Brunnen geborgen wurden, ob sie mit der Öffnung nach unten oder nach oben in die Erde gekommen sind, ob sie zufällig dort gelandet sind oder vielleicht geopfert wurden ... Die Liste an offenen Fragen ließe sich an dieser Stelle beliebig lang fortsetzen. All diese Informationen, die wir nun nicht haben, weil irgendwer so "nett" war, Gegenstände aus ihrem Zusammenhang zu entfernen um sie der Öffentlichkeit, mit einiger Verzögerung und gegen einen happigen Betrag, zur Verfügung zu stellen bräuchten wir dringend, um Aussagen dazu treffen zu können was zum Henker das für Gegenstände gewesen sein könnten.

Waren es vielleicht so eine Art Taufbecken oder vielleicht doch zeremonielle Hüte? Vielleicht aber waren sie auch Teil einer größeren Konstruktion? Gab es vielleicht ein Holzgerüst, an dem sie befestigt waren oder waren vielleicht vor ihrer Reinigung noch irgendwelche Reste beispielsweise von Mahlzeiten daran?

All diese Fragen werden nun wohl für immer unbeantwortet bleiben müssen. Es wurden bisher nur 4 dieser Gegenstände gefunden, oder zumindest weiß die Öffentlichkeit nur von diesen Vieren. Bei keinem ist der Zusammenhang aus der sie stammen sicher bekannt. Nun liegen sie also im Schaukasten im Museum und regen die Fantasie der Besucher an, aber wissenschaftlich betrachtet sind sie so gut wie wertlos, denn mehr als das es sowas auch gab und ein paar Details zum Fertigkeitenstand der Handwerker und der Materialherkunft, können sie uns nicht mehr verraten.

Traurig. Wirklich traurig. Wieder ein Fenster zur Vergangenheit, dass vielleicht für immer verschlossen wurde. Wenn also Archäologen nach einem großen Schatzfund durch Sondengänger hinterher anrücken und an derselben Stelle suchen, und "nichts" finden, dann haben sie vielleicht keine weiteren Münzen gefunden, aber eventuell dem "Schatz" zumindest einen Rest seines Zusammenhangs wiedergeben können und damit einen Teil der wertvollen Informationen retten können. Und es ist kein Versagen, wenn die nächste Kiste mit Münzen in 500 Meter Entfernung nicht gefunden wurde, kein Beweis der Inkompetenz und Faulheit, sondern einfach nicht das wichtigste Ziel.

Archäologen graben nach Daten, nicht nach Gold. Diese Daten sind unsere Schätze. Natürlich finden wir auch gerne Gold, glänzt hübsch, sieht gut aus und - am wichtigsten - macht das Einwerben von Forschungsgeldern einfacher. Aber deshalb wird man nicht Archäologe. Man kann ein ganzes Leben lang als Archäologe arbeiten ohne Gold zu finden, aber man wird ganz bestimmt den einen oder anderen historischen Schatz heben. Der ist halt vielleicht einfach nur braun, verschrumpelt oder ein unerwarteter dunkler Fleck Erde, an einer bestimmten Stelle. Und um zu erkennen, dass das ein Schatz ist und kein wertloser Dreck, dafür studieren wir.

Eine Kollegin hat einen tollen Artikel über einen der wahren Schätze der Archäologie verfasst. Hier geht es zu Miss Jones.

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