Von Funden und Befunden - Archäologie für Anfänger

04.10.2021
Nachdem wir letzte Woche geklärt haben, dass Schätze für Archäologen in der Regel nicht dem entsprechen, was man sich landläufig unter einem "Schatz" vorstellt, wollen wir in dieser Woche einen genaueren Blick auf das werfen, was Archäologen denn nun interessiert.

Der Vorgang wann wie wer eine Ausgrabung durchführt ist relativ trocken und soll dem noch geneigten Leser an dieser Stelle erspart werden. Am Ende steht in jedem Falle eine Gruppe von Menschen in Sicherheitsstiefeln und Arbeitshosen, mit reflektierender Oberbekleidung auf einem Stück Land und hat die Aufgabe alles was irgendwie für die historische Forschung relevant ist, aus dieser Erde zu holen.

Grabhügel auf Sylt
Grabhügel auf Sylt
Nachdem wir letzte Woche geklärt haben, dass Schätze für Archäologen in der Regel nicht dem entsprechen, was man sich landläufig unter einem "Schatz" vorstellt, wollen wir in dieser Woche einen genaueren Blick auf das werfen, was Archäologen denn nun interessiert.

Dabei unterteilt sich Relevantes grob gesprochen in zwei große Kategorien - in Befunde und Funde.

Während die meisten Menschen sich zumindest irgendwas unter "Funden" vorstellen können, dürften wohl nur die wenigsten Menschen außerhalb der Archäologie eine Vorstellung davon haben, was wohl mit "Befunden" gemeint sein könnte, deshalb folgt hier nun eine Begriffserklärung.

"Funde"

Betrachten wir die Gruppe der "Funde" erleben wir bereits die erste Überraschung. Aus dem Bauch heraus würde man davon ausgehen, dass Funde halt so vom Menschen hergestellte Sachen sind, die man dann finden kann. Ein Kamm, eine Steinaxt, ein Runenstein vielleicht noch, wobei letzteres so groß ist, dass es selten spontan als Fund erkannt wird - tatsächlich aber verstehen Archäologen unter "Funden" mehr als nur den Faustkeil.

Eggert informiert uns in seinem Werk "Prähistorische Archäologie - Konzepte und Methoden" darüber, dass

"unter dem Begriff >Fund< sowohl konkrete Objekte der materiellen Kultur, das sogenannte >Sachgut<, als auch sonstige kulturelle und natürliche Materialien verstanden [werden], aus denen Erkenntnisse über den ur- und frühgeschichtlichen Menschen und seine bio-physische Umwelt gewonnen werden können."

Wie bitte? Das ist mal wieder so verständlich wie eine Bauanleitung, die Google gekonnt aus dem Taiwanesischen übersetzt hat. Also nochmal in Stück für Stück: "konkrete Objekte der materiellen Kultur" meint alles, was Mensch so den ganzen Tag braucht, um sein Leben führen zu können, also Kamm und Steinaxt, aber auch der Findling, der da so rumsteht, weil jemand ihn da hingestellt hat - Sachen halt. So weit so logisch, aber was ist mit dem zweiten Satzteil gemeint? "kulturelle und natürliche Materialien" klingt sehr kompliziert, meint aber im Grunde Material, dass keine "Sache" ist. So könnend die erhaltenen Pollen ein Fund sein, obwohl sie nicht im klassischen Sinne eine Sache sind. Es handelt sich dabei um Pflanzenreste, die eingeweht wurden, erhalten blieben, natürlich Überreste, die heutigen Forschern einen Einblick in die Pflanzenwelt ermöglichen und damit eine Idee davon was gegessen wurde, beispielsweise.

Schädel mit Überresten einer Kopfbedeckung
Schädel mit Überresten einer Kopfbedeckung
Nachdem wir letzte Woche geklärt haben, dass Schätze für Archäologen in der Regel nicht dem entsprechen, was man sich landläufig unter einem "Schatz" vorstellt, wollen wir in dieser Woche einen genaueren Blick auf das werfen, was Archäologen denn nun interessiert.

Und auch kulturelle Praktiken hinterlassen Spuren im Boden, die man wohl kaum als Sache ansprechen kann, menschliche Überreste in Gräbern beispielsweise. Auch hierbei handelt es sich um Funde und das bezieht sich nicht nur auf die Beigaben, die es vielleicht im Grab gab.

"Befunde"

Nun höre ich schon das Raunen: Wenn schon etwas auf den ersten Blick so eindeutiges wie "Fund" so kompliziert umschrieben werden kann, wie kompliziert wird dann erst Eggert Definition für "Befund" aussehen? Keine Sorge, da wird es auf den ersten Blick erstaunlich kompakt.

"Ein Befund repräsentiert die Gesamtheit historisch aussagefähiger Beobachtungen in archäologischen Fundsituationen."

Was sich so einfach liest umfasst ein gewaltiges Feld an möglichen Beobachtungen. Das fängt bei den konkreten Umständen an, unter denen ein Fund getätigt wird. Liegt er vielleicht in einer Aschschicht oder zwischen zwei Bodenfliesen? Das lässt Rückschlüsse darauf zu wie der Fund in den Boden kam und damit ermöglicht damit ein besseres Bild davon, wie der Gegenstand ursprünglich benutzt wurde. Dabei ist nicht nur die Erdschicht, in der ein Fund steckte, ein Befund, sondern auch die Kontur der Grube, die sich ergibt, wenn man die Füllung sorgfältig entnimmt. Diese Kontur kann unter Umständen eine Menge über die Arbeitsweise verraten.

Museum Lepenski vir - Die dunklen Flecken sind "Befunde" wie man sie auf einer Grabung markiert.
Museum Lepenski vir - Die dunklen Flecken sind "Befunde" wie man sie auf einer Grabung markiert.
Nachdem wir letzte Woche geklärt haben, dass Schätze für Archäologen in der Regel nicht dem entsprechen, was man sich landläufig unter einem "Schatz" vorstellt, wollen wir in dieser Woche einen genaueren Blick auf das werfen, was Archäologen denn nun interessiert.

Einige Archäologen vertreten die Ansicht, dass im Grunde genommen auch die komplette Umgebung ein Befund ist, denn welcher Boden vorkommt, wo das Wasser langlief, wo der Wald stand, all dies verrät uns eine Menge über die Prioritäten und Lebenswirklichkeiten der Zeit, die gerade untersucht werden soll.

Wenn man Archäologen mit Detektiven vergleichen möchte, könnte man sagen der Fund sei der Blutfleck auf der Krawatte und der Befund sei der Ort an dem die Krawatte aufgetaucht ist. Erst der Zusammenhang, erst der Befund, ermöglicht es den Wissenschaftlern weitreichende Schlüsse zu ziehen.


Wer nun noch nicht genug von theoretischer Archäologie hat, dem sei als Einführung folgende Lektüre empfohlen:

Manfred K.H. Eggert: Prähistorische Archäologie; Konzepte und Methoden. Erschienen bei UTB.

Und:

Renfrew, Colin; Bahn, Paul: Basis Archäologie Wissen; Theorien, Methoden, Praxis. Erschienen bei Philipp von Zabern.

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